Schulabbruch nach der 4. Klasse – um 20 Jahre später doch noch den Schulabschluss zu erreichen

Mission completed – Mission erfüllt: Über 20 Jahre nach Abbruch ihres regelmäßigen Schulbesuchs hat eine Bewohnerin aus dem Mutter-Kind-Bereich nach Teilnahme an einem speziellen Vorbereitungskurs über eine Externenprüfung erfolgreich den Hauptschulabschluss erworben.

Alles andere als entspannt fuhr Jeanette Celik im Mai und Juni 2022 zusammen mit zwei weiteren Müttern von Ennepetal nach Sprockhövel, um dort an den zentralen Prüfungen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses teilzunehmen. Kein Wunder, denn die Prüfungen fanden mehr als 20 Jahre nach ihrem letzten regelmäßigen Schulbesuch statt. Obendrein hatte sie jede Menge Selbstzweifel, ob sie das wirklich schaffen kann und ob das in nur einem guten halben Jahr angeeignete Grundlagenwissen der Sekundarstufe ausreichte, um die Prüfung bestehen zu können. Die große Aufregung und die Tränen sollten bald vergessen sein – auch dank der emphatischen Prüfer, denen sie begegnete – denn sie hat zusammen mit einer anderen Kursteilnehmerin die Herausforderung gemeistert und den Schulabschluss jetzt in der Tasche.

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Jeanette Celik und ihr hart erarbeitetes Abschlusszeugnis. Auf dem Bild rechts bei einer kleinen Feierstunde im Juni die Gesamtleitung des Mutter-Kind und Mädchen-Bereichs, Claudia Lietz (1. v.l.) mit der Kursleitung Monika Wichmann (2. v.l.), ihrer Tochter Annika (4. v.l.) und den Kursteilnehmerinnen Martina und Jeanette.

 

Dass sie damals in Düsseldorf keine unbeschwerte Kindheit und Jugend hatte, daraus macht sie kein Geheimnis. Mehrere Wechsel der Heimeinrichtungen, in denen sie damals lebte, führten nach der vierten Klasse immer wieder zu Schulwechseln – Schulverweigerung und fortschreitende Schuldistanz waren die Folge.

Die Freude am Lernen wiedergewonnen.

Jeanette Celik, die heute mit ihrem Kind in einer Mutter-und-Kind-Trainingswohnung der Evangelischen Stiftung Loher Nocken wohnt, nahm die Herausforderung an und nutzte das Angebot eines neuen einrichtungsinternen Vorbereitungskurses auf die externe Prüfung für den Hauptschulabschluss.

Das für Mütter maßgeschneiderte, niederschwellige Bildungsangebot der Stiftung Loher Nocken, das von Monika Wichmann, unterstützt von ihrer Tochter Annika, mit viel persönlichem Engagement geleitet wird, startete im November 2021 und ermöglichte Jeanette Celik und weiteren Bewohnern aus dem Mutter-Kind-Bereich einen Neustart in Richtung Lernen. Dabei galt es einiges aufzuholen bei den Kursteilnehmerinnen mit ganz unterschiedlichen Bildungsständen und Biographien. „Mathe war richtig toll, war neben Hauswirtschaft mein Favorit, aber Englisch war eine Katastrophe“, resümiert Frau Celik rückblickend und spricht ein großes Lob aus an Frau Wichmann und ihre Tochter, zu denen sie eine persönliche Beziehung aufgebaut habe und die ihr geholfen haben, wieder Spaß am Lernen zu finden. „Das hat geholfen, nicht aufzugeben, dranzubleiben. Ich kann nur jedem empfehlen, die Möglichkeit eines solchen Bildungsangebots anzunehmen und zu Ende zu bringen. Man ist sehr stolz auf sich, den Abschluss geschafft zu haben – es ist einfach ein mega Gefühl!“ freut sich Jeanette Celik.

Ein Inhouse-Kurs mit besonderen Herausforderungen.

Ziel des Vorbereitungskurses war es, die Mütter wieder an schulische Unterrichtsinhalte heranzuführen, ihnen ein Lernen in ihrer Alltagswirklichkeit zu ermöglichen, sie zu ermutigen und sie erkennen zu lassen, dass sie etwas können und nicht abgehängt sind. Es war auch wichtig für die Teilnehmer, ein Ziel und den Mut zu haben, sich einer Prüfung zu stellen und damit die Chance, das Ziel auch zu erreichen. 

Rückblickend betrachtet waren alle Beteiligten beeindruckt von der anhaltenden Motivation, von der Vertrautheit und dem Zusammenhalt innerhalb der zum Schluss doch recht kleinen Gruppe. Herausfordernd waren die Ausfallzeiten durch Corona und verschiedene Krankheiten, entweder bei den Müttern oder den Kindern, oder weil es an manchen Tagen keine Betreuung für die Kinder gab. Problematisch war auch, dass es für die Mütter teils schwierig war, Hausaufgaben zu erledigen oder zuhause den Unterrichtsstoff noch mal zu üben. Dazu kamen dann die mitunter recht emotionalen Termine der Mütter, die natürlich auch das Unterrichtsgeschehen beeinflussten. Hilfreich war die Unterstützung aus den (Wohn-)Gruppen, die schon mal ein Kind aus dem Kindergarten abholten, Kinder betreuten oder die Mütter zum Weitermachen ermutigten.

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Von November 2021 bis Juni 2022 kam die Lerngruppe drei Mal
pro Woche zusammen, um miteinander den Stoff zu erarbeiten.


Gemeinsam zum Ziel.

Es entstand das Gruppenziel: „Gemeinsam wollen wir den Hauptschulabschluss erreichen“. Und das „Gemeinsam“ war auch allen wichtig. Gerade die Prüfungstage waren sehr herausfordernd und da wurde das Motto „Gemeinsam unterstützen wir uns“ noch mal ganz praktisch gelebt: Da wurde der zur Prüfung mitgebrachte Snack untereinander geteilt und jeder hatte auch an den anderen gedacht und mitgebracht, was der andere gerne mag.

Wie geht es jetzt für Jeanette Celik weiter? Sie strebt eine Ausbildung an, vielleicht in der Pflege oder im Bereich Hauswirtschaft. Letzteres macht ihr viel Spaß, unterstützt sie doch seit einigen Monaten das Hauswirtschafts-Team in der Mensa der Loher-Nocken-Schule dabei, die Pausenbrote für die Schüler zuzubereiten.

„Der Kurs war ein Kampf, aber irgendwie auch schön“, erinnert sich Jeanette Celik, die nun mit gestärktem Selbstwertgefühl und einem Abschluss im Lebenslauf in Richtung Zukunft blicken kann.

 

Weitere Informationen:

Bericht „Classroom fully loaded“: Lernen – auf ein Neues (PDF)

Mutter-und-Kind-Wohnen in der Stiftung Loher Nocken